Etwas für alle Sinne in Fjellnorwegen

Den Jutonheimen mit seinen schneebedeckten Bergspitzen fest im Blick fährt Nils Petter, der Busfahrer, geübt und zügig die schmalen Serpentinenstraßen Richtung Norden. Im Winter sind diese Straßen nicht ohne und wie ich erfahre, auch teilweise gesperrt, weil zu viel Schnee liegt.

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Donnerstag 13.8.2015, von Gjørvik nach Beitostolen, Høvda und weiter in der Region Valdres

Rakfisk – stinkig oder lecker?

Erster Stop heute an einer Fischfarm. In Norraker wird Rakfisk produziert. Jedes Jahr im November beim Rakfiskfestival wird dann der best fermentierteste Fisch, hier die Lachsforelle gekürt. Durch verschiedene Herstellungsverfahren und Wasserqualitäten kommt unterschiedlicher Geschmack zustande. Ein Generationen-Familien-Betrieb aus dem 17. Jahrhundert hat sich ganz schön gemausert. Der junge Inhaber Nils Noraker erklärt jeden einzelnen Schritt des Herstellungsprozesses. Wir stehen an den Forellenbecken, wo das Wasser so laut rauscht, dass man sein eigenes Wort nicht versteht, und sehen durch Fenster in den abgesperrten Bereich, wo 3 Mitarbeiter den nach 3bis 12 Monaten fermentierten Fisch filetieren. Wenn der Fisch eine kurz Zeit fermentiert – ist es die light-Variante, ab 6 Monaten medium und ab 12 Monaten starker Rakfisk. Am Ende bin ich doch ganz gespannt, ob es eine Ähnlichkeit mit Surströmming aus Schweden oder Gammelhai aus Island gibt.

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Überraschung, es ist eher wie Matjes Hering, wie Beatrice von Reisezeilen es ganz treffend beschreibt.

Skiegebiet – Alles Käse in Valdres in Fjellnorwegen

20150813-DSC_8041Am Horizont ist immer noch Jutonheimen mit Schneebedeckten Bergen zu sehen. Wahnsinnige Ausblicke über himmelspiegelnde Seen und Bergketten. Alles ist gut sortiert – ich vermisse die Wildheit. Nächster Halt ist das Skigebiet Beitostølen. Ein kleiner Ort mit roten Holzhäusern und Skiliften. Wir steigen nicht in die Gondel, die uns auf den Berg bringen könnte, sondern besuchen die Opplevelse Ysteriet, die Erlebniskäserei.
Wieder hinter Fenster befindet sich die gesamte Käseproduktion, große runde Laiber werden in Regalen gelagert, verschiedene Gelbtöne und kräuterige Zutaten definieren die unterschiedlichen Sorten. Beim Mittagessen koste ich die Sorten, die fast künstlerisch gestaltet auf den Tellern angerichtet, dargeboten werden. Das exotischste an diesem Ort ist Bier, welches mit Molke statt mit Wasser gebraut wird.
Der Himmel ist strahlen blau und die Sonne scheint sommerlich warm, trotzdem kann ich mir gut vorstellen, wie hier das Skileben in Beitostølen im Winter tobt. Gerne würde ich das mal erleben.

Høvda Sylv & Tre – inspirierende Auswanderer

20150813-DSC_8057Wir fahren weiter auf eine Farm mitten in den Bergen. Der 1978 ausgewanderte Deutsche Rainer begrüßt uns in Høvda bei Sylv & Tre. Eine Ansammlung mehrer alter Blockhäuser am Ende einer steilen Straße. Niemand hat daran geglaubt, dass sich Raine rund seine norwegische Frau dort eine Existenz aufbauen würden. Es gab kein Strom und kein fließend Wasser. Die Familie mit den zwei Söhnen hat es jedoch Stück für Stück geschafft, einen wunderbaren Platz zu gestalten. Viele Einheimische im Dorf „unten“ haben mitgeholfen. Hier habe ich das erste Mal gehört, dass irgendwo ein altes Blockhaus abgebaut wird und woanders wieder errichtet wird – Häuser recycling sozusagen. Rainer führt uns auf dem Gehöft herum, natürlich bin ich neidisch auf die riesige Holzwerkstatt mit dem noch größeren Lager, sein Reich, wie er sagt. Rückzugsort und Produktionsstätte für einzigartige Kunstwerke aus Holz und Manufakturmöbel wie die Schaukelschafe oder auf Norwegisch Gyngesauen, die in kleinen Serien produziert werden. Inger Norunn Solhaug, Rainers Frau kommt aus der Gegend und produziert Silberschmuck. Das witzigste ist ein Antischnarchring, soll funktionieren. In jeder Ecke blühen Fjellblumen und liebevoll arrangierte Kräuter, Rainer zeigt zu einem 50m entfernten Garten „das ist unser Selbstversorger Garten“ – ich kann es langsam nicht mehr fassen, zwei Kinder, die Blockhäuser, das Geschäft mit dem Kunsthandwerk, ein Gemüsegarten… wie passt das alles in 24 Stunden? Die Lösung liegt nahe, es gibt hier keine Medien, keinen Fernseher, der einen ablenkt, sagt er. Ich find’s großartig und ich glaube jeder hier in der Gruppe hegt einen kleinen Wunsch, auszubrechen aus dem Alltag und irgendwo ganz von vorne anzufangen. Wenige wagen es wirklich. Es ist jedem Fall inspirierend und belebend mit Rainer zu reden, natürlich ist er auch froh, mal wieder sein Deutsch heraus zu kramen.

Ausgangspunkt für Bergwanderer in den Jutonheimen Nationalpark

20150813-DSC_8143Unser Weg führt uns weiter gen Norden nach Grønolen Fjellgard. Dies ist der Ausgangspunkt für viele Bergwanderer. Leider machen wir mit dem Hausherren nur einen kleinen Spaziergang zu einem schönen Platz am Fluss. Eigentlich führt er anspruchsvolle Wander- und Klettertouren. Bei unserem Spaziergang stolpern wir ein bisschen durch das Unterholz und finden dabei ein paar Moltebeeren und Blaubeeren. Am rauschenden Flüsschen könnte ich stundenlang in das klare Wasser starren. Es ist so warm, dass ein Bad in dem kühlen Nass etwas tolles wäre. Ich verkneifs mir.
Am Abend essen wir im Fjellgard wieder mehrere Gänge einheimischer Speisen. Deftiges Fleisch und guter Fisch. Vegetarier haben‘s hier wohl eher nicht so gut. Der Speisessal, die Rezeption und die kleinen Einzelzimmer sind mit Bauernmalerei ausgestaltet. Sehr ländlich und gemütlich. Es gibt aber auch Apartment Häuser vor dem Haupthaus, die etwas moderner gestaltet sind und Sauna und Whirlpoos integriert haben.
Ich schaue nach dem Essen nochmal den Sternschnuppen, muss aber feststellen, dass es nicht mehr soviele wie am Vorabend zu sehen gibt. Ausserdem bin ich vom guten Essen satt und träge und nicht mehr für nächtliche Fotoexkursionen zu haben. Am liebsten würde ich noch ein paar Tage bleiben und mich von dem alten eingefleischten Kletterfreak Tor Erik  ins Klettermetier einführen lassen. Es wurden hier gerade zwei neue Klettersteige eröffnet und auf Facebook sind lauter glückliche Gipfelgesichter am Synshorn zu sehen. Ich will auch.

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Geertje

Geertje schreibt und fotografiert auf Reisen gerne, um diese intensiven Momente des Lebens festzuhalten. Sie möchte diese wunderbare Welt auch ihren Kindern zeigen und reist deshalb am liebsten als Familie in den Norden. Schön ist es, wenn Bilder und Texte auch andere Familien zum Reisen inspirieren.

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