Das war’s dann, die erste Familienwanderung in Norwegen für uns, was für ein Abenteuer – aber nur ein Test für das, was da kommen sollte.
Langsam pellen Morten und ich uns aus den klitschenassen Sachen. Mein Rucksack ist durchweicht, weil ich die Regenschutzhülle im Auto vergessen habe. Ist er deshalb wohl auch ein Kilo schwerer? Heute alles noch nicht so wild, denn wir haben gerade die erste Probewanderung von der Liomseter Cabin im Langsua Nationalpark hinter uns.


Ab morgen wird’s ernst und wir wandern von DNT Hütte zu DNT Hütte (DNT steht für Den Norske Touristförening zu dt. Der Norwegische Wanderverein). Zu viert wollen wir das bisher größte Nordicfamily Abenteuer bestehen. Nach der heutigen 8 Kilometer Wanderung mit 200 Höhenmetern bin ich guter Dinge, dass wir dass auch in den nächsten Tagen gut schaffen werden. Die Kids haben gute Laune und tragen ihren Rucksack fröhlich durch das leicht hügelige Fjell. Es sind nur Regensachen und das Lunchpaket drin. Mit der Liomseter Hütte haben wir ein ausgesprochenes luxuriöses Basecamp für unsere Familienwanderung in Norwegen. Nachdem wir unsere Regensachen ausgepellt haben, gönnen wir uns erst einmal eine heiße Dusche und hängen alles in dem geräumigen Trockenraum mit warmer Luft auf.

Ich sehe Mortens Wangen glühen. Er ist die letzten Kilometer vorneweg gerannt. Die Wanderschuhe von Joe Nimble gelten unter Experten auch als Speed Hiking Schuhe. Ob er das wörtlich genommen hat? Merle und Jan trudeln erst 30 Minuten später ein. Sie waren ebenfalls ein gutes Team, die mit Bedacht den steinigen Weg gegangen sind und die kleinen Bäche überquert haben. Mit der JVB App haben wir trotz weniger Netzabdeckung jeder auf dem jeweiligen Handy die Übersicht über die Route. Offline können wir über GPS erkennen, wo wir uns gerade und ob überhaupt auf der Route befinden.
Start in den Tag auf der Liomseter Cabin als Familie
Als ich nach dem Aufstehen die Route ausgekundschaftet habe, gab es in der DNT Hütte ein ausgiebiges Frühstücksbuffet mit Müsli, Broten und vielfältigem Belag. Davon machten wir uns jeder ein Lunchpaket fertig, gewickelt in schön bedrucktes Butterbrotpapier mit allen 550 DNT Hütten drauf.

Hier im Langsua Nationalpark gibt es einige Wegweiser auch zu unserem heutigen Ziel Nordre Suluhøgda. Schlichte Holzpfeile mit dem Schriftzug und dem typischen roten T des DNT zeigen zunächst gen Osten. Wir folgen der Runde gegen den Uhrzeigersinn. Da hat auch der 13 jährige Morten eine gute Vorstellung, und das ist wichtig für die Motivation.
Tageswanderung mit der ganzen Familie im Langsua Nationalpark
Für die Tageswanderung auf den Nordre Suluhøgda packen wir wirklich nur das nötigste, Regensachen, Essen Trinken, Kamera. Die Hälfte der Familie verweigert Wanderstöcke. Wir schauen auf unsere App und den Wegweiser und ziehen bei schönem Wetter fröhlich in die Landschaft.
Wie ich schon am Morgen erkundet habe, ist der Weg schmal und führt durch ein Birkenwäldchen mit kleinen verknorkelten Bäumen an denen Bartflechten und andere Flechten wachsen. Verwunschener Märchenwald und Stille umgeben uns bis einige zarte Glocken zu hören sind. Zwischen den Birken grasen nämlich auch Schafe und leisten uns bis zur Baumgrenze Gesellschaft.

Der Pfad auf den Nordre Suluhøgda im Langsua Nationalpark während der Familienwanderung in Norwegen
Es bilden sich unterschiedliche Teams, mal gehen die Teenager vor und die Eltern trotten hinten drein, mal Merle und Jan hinten und Morten und ich vorne. Phasenweise gibt es einen kräftigen Anstieg und danach wird es dann wieder flacher. Schöne Herausforderungen sind die winzigen Bachläufe oder matschigen Wiesen, die wir überqueren, indem wir uns von Stein zu Stein hangeln. Das geht natürlich mit Wanderstöcken auch besser. Manchmal habe ich das Gefühl wir sind auf einer Schatzsuche nach den roten Markierungen. Kleine Abweichungen finde ich zwischen App und den Markierungen, folge der App und lande in einer Sackgasse. So kommen einige Hundert Meter mehr in der Tagesdistanz zustande. Gar nicht schlimm, die Hauptrichtung stimmt meist.

Bald überholt uns ein junger Vater mit seinen zwei Töchtern. Routiniert läuft er mit seinen Grundschulkindern den Pfad entlang, wahrscheinlich sind sie Norweger und an jedem Wochenende draußen in der Natur unterwegs. Mit ihren orangen Rucksäcken sind sie bald außer Sichtweise gehüpft. Erst am verregneten Gipfel des Nordre Suluhøgda sehen wir sie umkehren. Sie nehmen den gleichen Pfad wieder zurück während wir den Gipfel überschreiten und die Runde auf einem anderen Weg zurücklaufen. Wir brauchen etwas, um hier bei einem kräftigen Regenguss unsere Regensachen rauszukramen und alles wieder in Position zu bringen. Ich habe unglücklicherweise die Regenschutzhülle für meinen Rucksack vergessen. So ist derselbe am Ende des Tages ganz schön durchgeweicht. Die Technik habe ich immer extra in einer wasserdichten Tasche.





Auf dem Gipfel des Nordre Suluhøgda auf der Familienwanderung in Norwegen



Nach zirka 3 Stunden erreichen wir den Gipfel. Ein kräftiger Regenschauer begrüßt uns und wir ziehen ganz flink etwas hektisch unsere Regensachen über. Ich lege mein Pausenbrot ab, was vollständig durchweicht. Schmeckt trotzdem. Wir staunen über die dramatisch epische Atmosphäre, die hier oben entsteht und ahnen noch nicht, dass es in den nächsten Tagen Alltag sein wird, das nordische Wetter so zu erleben.

Auf dem letzten Drittel zieht sich unser Team etwas auseinander. Morten prescht vor und will wohl gerne alleine unterwegs sein. Zunächst will ich hinterhereilen, damit er nicht den falschen Weg nimmt, dann gebe ich mich aber damit zufrieden, seiner roten Rucksackhülle mit den Augen zu folgen und stelle mir vor, dass er seinen ganz eignen Weg geht – wie im echten Leben. Das fühlt sich gut an. Später erzählt er, dass er auch schnell wieder bei der Hütte ankommen wollte, zu Hause sein wollte unter der heißen Dusche. Die letzten Kilometer schlängeln sich um kleinere Hügel und als Morten hinter einer Biege auf mich gewartet hat, queren wir kleine Bäche. Ich positioniere eine Kamera so, dass sie meine Überquerung aufnehmen wird. Plötzlich rutsche ich aber voller Enthusiasmus ab und lande mit einem Fuß voll im Wasser. Macht nichts, der Fuß scheint einigermaßen trocken. Mein verspieltes inneres Kind, kommt bei solchen Szenen zum Tragen und für interessante Filmsequenzen würde es einiges tun.

Ankommen in der Liomseter DNT Cabin

Mit Morten klettere ich über den letzten Zaun, der die Schafe davon abhält, querfeldein zu laufen Wir steigen über eine hölzerne Konstruktion und eilen die letzten Schritte Richtung trockener Behausung. Zum Glück gibt es in Liomseter im Keller einen riesigen beheizten Raum mit diversen Trockengestellen und Vorrichtungen auf denen wir alles fein säuberlich ausbreiten, Socken, Sohlen aus den Schuhen, Jacken und Shirts auf die Bügel. Und dann ab unter die Dusche. Was für ein Genuss. Morten verkriecht sich dann gemütlich in sein Etagenbett im Familienzimmer. Bis ich alles fertig im Keller organisiert habe, sind auch Merle und Jan eingetroffen.


Sie sind auch froh, wieder im Trocknen gelandet zu sein an diesem frühen Nachmittag. Wie begossene Pudel trudelten wir ein und freuen uns nun über eine gemütliche Hütte.
Der Teenager bekommt zur Belohnung eine kleine Fußmassage, wo jedoch plötzlich der Fußrücken anfängt zu schmerzen, was für ein Schreck, in wenigen Sekunden läuft ein Film ab, ein Elternteil müsste mit ihm auf der Hütte bleiben, während die anderen zwei die Wochenwanderung unternehmen. Wir müssten runter nach Lillehammer fahren, den gewundenen und steilen Pfad mit dem Auto zurücklegen und einen Arzt aufsuchen. Ich besorge Eiswürfel in der Tüte von der Rezeption und wir tragen Traumeel Creme auf. Er soll sich gut entspannen, alle fünf Minuten jedoch sorgt er sich um den Fortgang der Wanderung, wahrscheinlich sei etwas gebrochen oder er habe sich etwas gezerrt. Nach einer Stunde sollte ich ihm helfen aufzustehen. Mit Stützen und ganz vorsichtigem Auftreten ging es die ersten Meter. Dann wurde es immer besser. Jan gab ihm sogar noch eine Schmerztablette und wir schafften es bis ins Erdgeschoss ins Wohnzimmer der Hütte. Hier ist alles bereit für Spiele- und Leseabend. Der Schmerz ist schnell vergessen. Hoffentlich gibt es keine Nachwirkungen mehr später.
Das Wetter ist schöner als erwartet, Merle vermutet ein Gewitter um 16 Uhr, dennoch sitzen wir draußen an einem robusten Holztisch und philosophieren gebeugt über eine Wanderkarte über die weiteren Routenabschnitte. Ich bin angefixt vom Umgang mit Karte und Kompass und möchte das unbedingt auf der Wanderung verfolgen. Die Investition einer echten Papierkarte lohnt sich. Man stelle sich vor, alle vier Handys fallen aus oder die Wegmarkierungen sind nicht mehr zu sehen.
Das alles wird wahrscheinlich nicht passieren, dennoch finde ich es wunderbar und interessant, auf Papier und Landschaft zu schauen.
Abendessen in der bewirtschafteten Liomseter Hütte im Langsua Nationalpark bei der Familienwanderung in Norwegen
Während des Nachmittags trudeln immer mehr Gäste ein bis gegen Abend bestimmt fünfzig Leute im Essenssaal Platz genommen haben. Heute sitzen wir mit Janina und Sohn Edvard aus Oslo an einem Tisch. Auch sie wollten eine Mehrtageswanderung machen, haben sich aber für einen stationären Aufenthalt hier in Liomseter mit Tageswanderungen entschieden.
Das dreiköpfige Team der DNT Crew gibt wie auch gestern bekannt, wer gekocht hat und was es heute Abend als 3 Gänge Menü gibt. Nachdem es gestern Lachs gab, ist heute Lamm an der Reihe, Merle bekommt ein vegetarisches Risotto. Die Vorsuppe ist eine pürierte Möhrensuppe und als Nachtisch haben wir Rhabarber Crumble mit Vanille Eis.


Der fast 10 jährige Edvard zeigt uns am Tisch, wie man aus Servietten schöne Blüten um die Trinkgläser herum faltet. Nebenbei unterhalten wir uns angeregt mit Janina in wildem Mix aus English und Skandinavisch.
Nach dem üppigen Essen bin ich ganz schön müde.
Lesen? Spielen? Im Erdgeschoss der Hütte ist es mir zu trubelig, im Dachgeschoss in unserem Familienzimmer etwas zu warm.
Hier veranstalten wir jetzt alle ein kleines Packchaos, der Boden liegt voll mit Dingen, die in unseren Wanderrucksäcken für die nächsten fünf Tage Platz finden sollen.

Dabei wollen wir nicht zu viel umherschleppen, aber auch nichts Wichtiges vergessen. Merle hat eine gute Übersicht über die Gemeinschaftsartikel, Jan ist für das medizinische verantwortlich, ich habe Technik. Alle zusammen müssen wir Snacks und Riegel als Zwischenmahlzeiten verteilen. Mein Rucksack ist noch nicht richtig trocken, deshalb lasse ich ihn noch im Trockenraum und versuche mir vorzustellen, wie alles auf der Erde Ausgebreitete, in den selbigen hineinpassen soll. Außerdem macht sich Jan Sorgen über die Länge der Strecke, ich über das Gewicht seines Rucksacks. Ich hoffe, wir können es gut verteilen, dass die Starken von uns mehr tragen können.
Dazu kommt noch pro Person 1,5 Liter Wasser. Ich denke, dass wir Rucksäcke zwischen 13 und 16 Kilo tragen werden.
Morten hört Die Drei Fragezeichen, ich lese noch mit Stirnlampe in meinem englischen Buch über die Soloabenteuer von Jenny Tough. Es ist glaub ich das erste Mal, dass ich an einem englischen Buch so konsequent dranbleibe. Die Frau vor zwei Wochen in Finnland hat mich persönlich schön inspiriert.
Dann schlafe auch ich, es ist noch nicht allzu spät und die kühle Abendluft strömt langsam zu mir Richtung Bett.
Falls du auch in Liomseter bzw im Langsua Nationalpark eine Wanderung unternehmen willst, informiere dich vorher hier beim DNT: Welcome to Liomseter – DNT und auf der Webseite des Parks: Herzlich willkommen im Nationalpark Langsua
Über den weiteren Verlauf unserer einwöchigen Hüttenwanderung berichten wir in den nächsten Wochen im Blog.
Disclaimer: #ad In partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit Jotunheimentravel.
Die Familienwanderung in Norwegen hat mit der Tageswanderung in Liomseter einen guten verheißungsvollen Start genommen.