Wir sind in unserer Lieblingsstadt im hohen Norden – Kiruna. Doch Kiruna steht eine der größten Veränderungen bevor, die man sich vorstellen kann. Ein großer Teil der Stadt zieht um. Komplett mit Mann und Haus und wahrscheinlich auch Maus.
Neu ist das im Grunde nicht. Kiruna steht auf einem großen Eisenerzvorkommen und schon 2010 wurde der Umzug beschlossen. Doch so oft wir auch hier waren, konnten wir bisher keine echten Anzeichen dafür sehen. Deshalb beschlossen wir dieses Mal, eine geführte City Tour zu machen und uns von einem Einheimischen erklären zu lassen, was sich hier bereits verändert hat und noch verändern wird.
Wichtige Vorbemerkung zu Kiruna
Es ist zum einen natürlich schon rein logistisch faszinierend aber bestimmt nicht so unkritisch, wie es scheint. Trotzdem möchten wir voranstellen, dass uns keine massiven Proteste zu Ohren kamen. Wir sind natürlich auch nur Touristen. Aber alle Menschen, mit denen wir sprachen, nahmen es mit einer gewissen Gelassenheit. Dabei scheinen zwei Punkte eine entscheidende Rolle zu spielen.
Die Rolle von LKAB
Zum einen löst LKAB (die Minenbetreiber-Firma) viele Sorgen, Ansprüche und Bedenken mit Geld. Viel Geld. Die Anwohner bekommen entweder ihr Haus als ganzes umgesetzt oder sie bekommen eine gänzlich neue Wohnung oder Haus inklusive Erstattung von Kosten, die durch den Umzug ausgelöst werden. Zum anderen scheint (zumindest teilweise und hinreichend) auf bestimmte traditionelle und historische Rahmenbedingungen eingegangen worden zu sein.
So wurde z.B. ein See und ein Hügel im Norden der Stadt von allen Planung ausgenommen, da die Samen hier den Anspruch für ihre Rentier-Routen verteidigen konnten. Auch bleiben historische Gebäude und Wahrzeichen erhalten, in dem sie umgesetzt werden. Natürlich musste viel politisch erkämpft werden. Und sicher hat es einige Verwerfungen gegeben, von denen wir heute nichts mehr mitbekommen, aber offener Protest scheint heute nicht mehr sichtbar. Nicht zuletzt, weil die Mine der größte Arbeitgeber vor Ort ist.
Das vorweg geschickt, treffen wir Dan Lundström im Touristencenter im Stadtkern und er nimmt uns gleich mit in seinem kleinen Bus. Wir bekommen alle kleine Kopfhörer und er ein kleines Headset-Mikro, so dass er die ganze Zeit erzählen kann, ohne laut sprechen zu müssen und wir hören, was er uns auf English alles erzählt.
Eine Stadtführung durch das alte und neue Kiruna
Wir beginnen mit einem Blick über die Stadt am Skihang. Die Sonne hinter dem Horizont lässt die ganze Stadt und die Mine in rotes Licht tauchen. Mit großen Gesten und kleinen Anekdoten verschafft er uns einen Überblick über die Stadtteile und fährt dann mit uns in ein LKAB Besucherzentrum in dem ein Modell der Stadt aus Holz aufgebaut ist. (Er selbst arbeitet NICHT für LKAB). Wir lernen -wie in den Medien oft vereinfacht dargestellt- dass nicht die ganze Stadt umzieht, sondern nur ein Teil, aber zugegebenermassen der wichtigste Teil.
Das Rathaus ist schon nicht mehr im alten Kiruna, in dem wir uns gerade befinden, sondern schon im neuen Kiruna. Aber auch Schulen und das Krankenhaus sind betroffen. Im Grund der gesamte Stadtkern. Einige Hauser an der Peripherie bleiben bestehen.
Wir fahren mit ihm zum neunen Stadtzentrum und zum neunen Rathaus. Auf dem Weg dahin kommen wir durch ein Viertel mit den ältesten Häusern Kiruna. Zweistöckige meist gelbe Einfamilienhäuser aus Holz. Einige wurden wohl schon an ihren neunen Standort transportiert, andere werden folgen, andere abgerissen. Wenn es da ein System gibt, welches Haus erhalten bleibt und welches nicht, erschließt es sich uns jedenfalls nicht.
Kiruna hat eine ganz besondere Kirche
Wir halten an der Kirche Kirunas. Ein besonders faszinierendes riesiges rotes Holzgebäude. Es soll, so lernen wir, in nur zwei Stücken vom Berg an dessen Hang es steht, an seinen neuen Ort transportiert werden.
Ich frage warum es nicht zerlegt und wieder zusammengesetzt wird, wie Lego. Schliesslich ist es Holz, und erfahre, eben weil es Holz ist, ging das so nicht. Das alte trockene Holz würde bei einer solchen Aktion zu viel Feuchtigkeit aufnehmen und könnte dann nie wieder zusammengesetzt werden. Aha..wieder was gelernt.
Übrigens ist das innere der Kirche auch faszinierend. Obwohl alles in der Gebäudestruktur sagt, es handelt sich um eine Kirche, fehlen sämtliche Hinweise auf christliche Symbolik. Keine Kreuze (ausser jede Menge X..warum weiß keiner so genau) und keine anderen Dinge wie heiligen Figuren oder ähnliches. Die Figuren auf den Giebeln draussen am Gebäude stellen keine Heiligen sondern Emotionen dar.
So wie ich es verstanden habe, sollte die Kirche vor allem ein religiöser Versammlungsort sein. Für welche Religion, lässt sich schnell durch die jeweiligen Symbole auf dem Altar festlegen. Bei unserem Besuch steht ein kleines christliche Kreuz auf dem Altar und ist damit das einzig christliche Symbol in diesem riesigen Gebäude. Faszinierend.
Einige Minuten später erreichen wir das neue Rathaus. Mitten auf einer riesigen Baustelle steht ein architektonisches Meisterwerk. Daneben der alte Glockenturm aus Eisen mit seinen reichen Verzierungen, den wir noch bei unserem letzten Besuch im alten Stadtzentrum gesehen haben.
Kirunas neues Rathaus
Bescheidenheit war hier nicht das Leitmotiv. Weder aussen noch ihnen. Das Gebäude ist riesig und die Empfangshalle ist tief in Bronze- und Goldtönen gehalten mit entsprechenden Marmorböden. Da hilft auch die nüchterne skandinavische Architektur nichts mehr. Wer hier reinkommt, bekommt gesagt „Willkommen in einer reichen Stadt“.
Wir schlendern an der Kantine für die Angestellten vorbei, besuchen die Sitzungsräume des Stadtrates und besichtigen oben noch eine Kunstausstellung, für die auch noch Platz war. Für Kiruna neues Stadtzentrum kann die Zukunft offensichtlich kommen.
Zurück in „Alt-Kiruna“ zeigt uns Dan noch ein paar Fotos von den Transporten ganzer Häuser auf riesigen Plattformen mit hunderten von Rädern. Leider können wir diese aus rechtlichen Gründen nicht zeigen.
Stadtführungen mit Dan Lundström Kiruna storytelling wie diese kann man im Touristenbüro von Kiruna buchen.
Voller Eindrücke verbringen wir den Rest des Tages in unserer kleinen Hütte in Camp RIPAN und packen unsere Sachen, denn morgen soll es weitergehen nach Gällivare.
Wir fahren bei Anbruch des Tages los und sind nach etwa zwei Stunden in Gällivare. Hier übergebe ich den Text Geertje….
Wir fahren weiter
Als wir nach Gällivare kommen, sehen wir Berge von Schnee an den Straßenrändern liegen. Die Räumdienste haben ordentlich zu tun. In den letzten Tagen gab es viel weiße Pracht und das Schneegestöber sollte auch in den kommenden Tagen nicht aufhören.
Das gemütliche Pensionat Augustin
Bei so einem Winterwetter ist es umso wichtiger eine gemütliche Unterkunft zu haben. Für drei Nächte buchten wir dafür das Pensionat Augustin. Als wir hier in der Dunkelheit und bei minus 15 Grad eintreffen, begrüßt uns eine freundliche Mitarbeiterin, zeigt uns das Haus und händigt uns unsere Schlüssel aus. Zu unserem Zimmer stiefeln wir zwei schmale Treppen hinauf und finden hier ein schönes Familiendoppelzimmer. Restauriert mit Blick über die Holzhäuser der Innenstadt.
Alle Zimmer tragen Namen, die mit Geschichten assoziiert sind. Die Einrichtung der Zimmer ist inspiriert von diesen Geschichten. Alte Holzmöbel und liebevolle Dekorationen machen es so richtig heimelig. Wir sind wohl die einzigen Gäste hier im Hause.
So haben wir den Gemeinschafts-Speisesaal, der genauso liebevoll gestaltet ist- erstmal für uns. Es ist quasi unser Wohnzimmer mit großen Holztischen und weihnachtlicher Beleuchtung. In ein paar Tagen ist heilig Abend. So breiten wir uns auch hier aus und haben schließlich einen Esstisch, einen Computerarbeitstisch und einen Bastel- und Maltisch für uns okkupiert.
Sauna und Fitnessraum im Keller warten auch auf uns. Ich freue mich besonders auf das morgendliche Frühstück. Es ist so entspannend, wenn ich mich nicht darum bemühen muss. Es ist sorgfältig zusammengestellt aus regionalen Zutaten und enthält kein Palmöl. Das finden wir so richtig gut.
Gällivare und Malmberget – eine besondere Baustelle
Wir richten uns gemütlich ein und ziehen dann nochmal los, um die Innenstadt zu erkunden. In einer Einkaufsgalerie entdecken wir einen Infoladen mit dem Titel Re-Form Gällivare. Eine alte Bekannte arbeitet hier und wir kommen mit ihr über die Umsiedlung Malmbergets ins Gespräch.
Malmberget und Gällivare sind Zwillingsstädte oder eine Doppelstadt.
Malmberget ist eine typische Bergbausiedlung, wo 1741 das erste Mal Eisenerz gefördert wurde. Wie in Kiruna befindet sich hier eine Eisenerzmine und die Wirtschaft ist auf die Förderung von Eisenerz ausgelegt. Die 250 Meter tiefe Grube breitet sich immer mehr aus, so dass immer mehr Häuser umgesiedelt werden, weil die Häuser einsturzgefährdet sind.
Der Infoladen Reform erzählt von der Geschichte diesen Ortes. Durch einen Zeittunnel sieht man historische Szenen des Ortes, für die Kids sind die VR Brillen der Hit. Sie laufen in einer virtuellen Welt umher und lernen diesen Ort ganz anders kennen als gewöhnliche Touristen.
Für uns ist es ähnlich spannend, da wir die Stadtführung in Kiruna mit erlebt haben und einen Vergleich ziehen können.
Es gibt jedoch Unterschiede. Zum einen wird das Erz aus einer offenen Grube gefördert ähnlich unserem Braunkohletagebau zum anderen wird hier eine Stadt in eine andere integriert. Das heißt in Gällivare es muss eine neue Infrastruktur und Wohnraum muss für ca. 6000 neue Bewohner in geschaffen werden. Wir sehen eine große moderne Baustelle. Hier soll beispielsweise ein neues gigantisches Schulzentrum entstehen. Auch das ist eine beachtliche logistische Leistung. Und wieder scheint LKAB vieles mit Geld zu lösen. Wir erfahren, dass auch andere Metalle hier gefunden wurden. Vielleicht ist das der Grund.
Gemütlich in Gällivare
Mittlerweile ist es Abend geworden und wir schlendern durch die verschneite Innenstadt von Gällivare. Da entdecken wir das „Cafe allertiders“. Es wurde mir schon von einer Freundin empfohlen, die einst in Gällivare wohnte und jetzt mit mir am Icehotel gearbeitet hat.
In dem einstöckigen Holzhaus sind die Fenster bunt erleuchtet und wir treten in eine quirlige moderne Gaststube ein. Jetzt kurz vor Weihnachten trifft man sich hier auf einen Cafe oder gar auf ein richtiges Abendessen.
Wenn ich meinen Ohren traue, höre ich am Nachbartisch ein paar deutsche Worte. Was für eine Überraschung. Hier sitzt eine Auswanderin mit ihren erwachsenen Kindern, die gerade aus Deutschland zu Besuch sind.
Ich mag solche zufälligen Begegnungen und kurzen Gespräche über das Leben und so.
Auf unserem Weg liegt außerdem das Gällivare Museum
Es hat diesmal am 4. Advent besondere Aktivitäten für Kinder zu bieten. Das nutzen wir doch gleich aus. Eigentlich sollte man sich anmelden, das ist uns wegen der Kurzfristigkeit nicht so richtig gelungen.
Trotzdem werden wir super herzlich empfangen und andere schwedische Familien trudeln auch ein. Während die Großen die Ausstellung studieren, basteln die Kids an einem großen Tisch im extra Raum. Es werden Tassen bemalt, die man danach im Backofen brennen kann.
Mir gefällt die wenig technisierte Ausstellung. Einfache Warme Lichtspots sind auf ausgestopfte Tiere oder typische Szenerien gerichtet. Der Eisenerz Rausch wird natürlich thematisiert.
Mückenmuseum in Gällivare
Ein kleiner Bereich beherbergt das Mückenmuseum. Es ist natürlich nur halb so lustig mitten im Winter ohne Mückenplage hier die Viecher zu studieren. Jedoch wird glaubwürdig rübergebracht, wie bedeutend die Mücken hier im Sommer sind. Ich sehe mit Interesse Mückenvernichtungsmittel aus den letzten Jahrzehnten, Mückenschutzkleidung, große und kleine Modelle von den Tieren.
Ich liebe es ebenfalls ausführlich durch den Museumsshop zu stöbern. Hier finde ich Bücher über Lappland, Schmuck und andere tolle Handwerksarbeiten wie Messer oder die typischen Holztassen.
Die Kinder hören während ihrer Bastelei noch schwedische Geschichten von einer Museumsmitarbiterin.
Wir trudeln wieder zurück in unsere heimelige Pension Augustin. Dort kuscheln wir uns in unsere flauschigen Betten und träumen durch eine eisige Winternacht, denn wir wollen morgen in einen Actiontag in Schwedisch Lappland gehen.
Vor ein paar Jahren wir wir hier in Gällivare schon einmal. Das kannst du hier lesen.