Frauen Wildniscamp im Hohen Fläming mit Tiefgang

Hier erzähle ich vom Frauenwildniscamp in der Wildnisschule Hoher Fläming. Achtung, es könnte etwas sehr persönlich werden und ist alles andere als eine einfache Travelstory. Vielleicht eher eine kleine Reise zu mir selbst.

Ich rieche Baumharz und taste mich vorsichtig an der rissigen Rinde eines Baumes entlang, ich stehe barfuß auf weichem Waldboden und die Sonnenstrahlen, die durch das Blätterdach brechen, kitzeln meinen Nacken, eine aufgeregte  Vogelunterhaltung dringt an mein Ohr, meine Augen sind verbunden und ich konzentriere mich auf mein Fühlen, Riechen und Hören.

Als ich den Baum umarme und meine Wange nochmal an ihn drücke, bin ich mir sicher: Dich erkenne ich wieder!

Die Ankunft im Frauen Wildniscamp in der Wildnisschule Hoher Fläming

Zu diesem Baum hat mich eine Frau geführt, die ich in den letzten Tagen im Frauen Wildniscamp kennengelernt habe. Seit drei Tagen lagern wir in den sanften Hügeln des Hohen Flämings zwischen alten knorrigen Obstbäumen und verbinden uns Stunde um Stunde mehr mit der Natur und kommen uns selbst dabei nah.

Vom Frauen Wildniscamp hörte ich vor zwei Jahren zum ersten Mal. Seit wir mit der Wildnisschule Hoher Fläming enger verknüpft sind, hat mich dieses jährliche Angebot sehr gereizt, leider passte der Termin für mich bisher nie.

In diesem Jahr habe ich mich relativ spontan dazu entschlossen und bekam auch noch einen der begehrten Plätze. Ich bin überrascht, als ich am Donnerstagabend auf eine Gruppe von 15 Frauen stoße.

Schon am Bahnhof in Bad Belzig treffe ich zwei Frauen aus der Gruppe, wir nehmen kurzerhand einen Bus Richtung Hagelberge und wandern dann durch den frischen feucht grünen Wald zum Apfelberg, gleich hinter dem Zinken, dem Platz der Wildnisschule Hoher Fläming.

Ein Abend im Frauen Wildniscamp zwischen alten Obstbäumen

Den ganzen Tag hatte es geregnet, der Weg ist feucht und Regentropfen fallen noch als letzte Boten von den Blättern. In meinen dicken Wanderschuhen und mit dem schweren Rucksack auf dem Rücken verliere ich einmal kurz den Halt und rutsche auf einer Wurzel aus. Lande voll im Dreck und sehe dann wenigstens schon mal etwas wild aus und nicht mehr so zivilisiert.

Ich sehne mich in diesen Tagen nach dem Alleinsein in der Natur, nach Zeit, um zu mir zu kommen und einigen Gefühlen und Fragen nachzuspüren, die um mich herum wabern. Ob da so eine große Gruppe an Frauen das richtige ist? Ich zweifle.
Dennoch bin ich mir sicher, dass Campleiterin Daniela und Anne den passenden Rahmen schaffen und die richtigen Tools für ein Eintauchen in die Natur dabei haben.

Der Lagerplatz des Frauen Wildniscamp

Ich stehe auf dem Wildnisplatz mit der Draußenküche und dem großen Geminschaftstipi und einer Lagerfeuerstelle. Er ist umrahmt mit alten knorrigen Obstbäumen und hohem Gras. Einige Wege und Plätze sind gemäht und führen über das Gelände zum Zinken, in den Wald und zur Draußendusche, wie zum Plumpsklo. Meine Sehnsucht nach Einsamkeit zeigt mir einen Platz etwas oberhalb des Platzes zwischen zwei Kirschbäumen. Hier blicke ich über die seichten Wellen dieser Landschaft und sehe Wälder und Felder über denen die letzten Regenwolken davon ziehen.

Hier baue ich mein Zelt auf und richte mich für die nächsten vier Tage häuslich ein. Dann gibt es schon ein uriges Trommeln unten vom Platz. Daniela ruft uns 12 Frauen zum Abendessen zusammen. Mit einer warmen Suppe im Bauch versammeln wir uns an der Feuerstelle im Tipi und stimmen uns auf die Zeit, das Frauen Wildniscamp ein.

Eine verdrehte exotische Wurzel aus der Wüste kreist als Redestab. Erwartungsvolle Augen, zurückhaltende Worte, vertrauensvolle Stimmen mit Geschichten  von Zuhause. Wünsche für die folgenden Tage zeigen, dass sich jede von uns Zeit in der Natur, Zeit für sich, abseits des Alltags erhofft.

Eine große Hilfe dafür ist auf jeden Fall unser Garderobenbaum. Am folgenden Morgen haben wir die Gelegenheit uns einen „Partner in crime“ im Wald zu suchen. Hier hänge ich meine „Themen“ an und kann etwas befreiter wieder zum Platz zurückgehen. Was ich nicht ahne, ist, dass ich in den kommenden Tagen immer wieder zu meiner Eiche gehe, um mit ihr zu reden und zu weinen, um Rat zu fragen und einfach nur hallo zu sagen.
Solch einen Moment habe ich bisher noch nie vorher in der Natur gespürt. Es ist überwältigend und sehr berührend und emotional.

Toolbox im Wildniscamp – Anschleichen

Anne erzählt uns in der Runde von einigen Techniken, wie wir uns unauffällig im Wald bewegen können und dabei viel wahrnehmen können. Über Fuchsgang, Rehohren und Eulenblick habe ich schon mal an anderer Stelle geschrieben. Ich habe meine Barfußschuhe an den Füßen und versuche den Ballen so vorsichtig aufzusetzen, dass es weder raschelt noch knackt. Weil ich etwas in die Knie gehe und die Hände auf dem Rücken habe, bewege ich mich in einer gleichmäßigen Höhe durch den Wald und bin anscheinend für Tiere nicht so auffällig fremd.

Shawny Otwa war ein berühmter Anschleicher, deshalb ist nach ihm das folgende Spiel benannt. Anne steht in ihrem knallroten Pullover mit dem Rücken zu uns zwischen lichten Kiefern, wir Frauen schleichen uns so langsam und leise an, dass Anne uns nicht hört – oder doch. Ein leises Knacken und sie ruft: Shawny 1-2-3! Und dreht sich um. In den wenigen Sekunden verstecken sich einige hinter den wenigen Bäumen, ich werfe mich flach in eine Kule ins hohe Gras, Anne entdeckt eine von uns und ruft ihren Namen, sie ist leider ausgeschieden.

Anne dreht sich wieder mit dem Rücken zu uns und wir können uns noch dichter an sie heranschleichen, wer es schafft ihr auf die Schulter zu tippen, hat es geschafft: Schleichübung bestanden.

Was für eine Freude doch so ein kindliches Spiel in einem entfachen kann. Fröhlich spazieren wir zum Camp zurück, wo wir uns nach der Ahnentafel, einer kleinen Dankbarkeitsrunde zum Mittag versammeln. Wir werden vorzüglich mit einfachen regionalen Köstlichkeiten verwöhnt.
Für die meisten von uns ist es pure Erholung sich mal nicht um die Zubereitung der Mahlzeiten kümmern zu müssen.

In der Mittagspause döse ich im Zelt, lese, sehe am Horizont ein paar andere Frauen durch die Landschaft spazieren. Sich treiben lassen, die Luft atmen, träumen – wann hatte ich das zuletzt im ganz normalen Alltag?

Frauen Wildniscamp und das kleine Mädchen in mir

In einer Redestabrunde am Nachmittag erzählen wir uns gegenseitig von Kindheitserinnerungen. Es ist wirklich nicht einfach, sie aus dem Gedächtnis zu kramen. Das lustige Spiel „Storch und Bär“ allerdings lässt uns so losgelöst herumalbern und lauthals lachen, dass es uns danach etwas leichter fällt, solche Momente aus der eigenen Geschichte hervorzukramen.

Auf einem langen Spaziergang am Feldrain entlang klettere ich auf einen Hochsitz und schaue neugierig, wie die kleine Geertje von oben in die Landschaft, ich finde einen entzückenden geringelten Stock, der mich daran erinnert, wie mein Opa mir früher die Dinge in der Natur erklärte und dann zeigte, wie man aus frischen Weidenzweigen eine Flöte bauen kann.

Bei unserer Rückkehr ins Camp sprudeln die Geschichten nur so aus uns heraus und jede von uns hat ihr jüngeres irgendwo wieder entdeckt. Wie schön, die strahlenden Augen und das Mädchenlachen auf den Gesichtern zu entdecken.

Der Tag neigt sich dem Ende und wir singen am Lagerfeuer und halten unsere dampfenden Teetassen zwischen den Händen. Ich habe das Gefühl, hier schon ewig zu sein.

Frauenwildniscamp – schöne Dinge herstellen

Der Samstag beginnt wie ein heißer Sommertag, in meinem Zelt wird es schon früh richtig warm. Ich ziehe den Reißverschluss auf und schaue über die Wellen des hohen Flämings. Langsam schäle ich mich aus dem Schlafsack und spaziere zum Platz vor dem großen Gemeinschaftstipi, wo wir eine Runde Yoga machen.

Nach dem göttlichen Gröt zum Frühstück kommen wir sofort ins Tun. Anne erklärt uns, wie wir aus einem halbrunden Stück Holz Glutschalen fertigen. So etwas wollte ich schon lange mal besitzen und vor allem selber herstellen.
Aus dem Lagerfeuer klaue ich mir ein Stück Glut, lege es auf die glatte Fläche des Holzes und halte es dort mit einem Stöckchen fest. Jetzt heißt es vorsichtig und sachte pusten, damit die Glut arbeiten kann.

Jede von uns Frauen ist super fokussiert bei der Sache. Von oben brennt die Sonne von vorne wärmt die Glut das Gesicht zusätzlich. Schweiß, Ruß und kindliche Begeisterung zeichnen die Antlitze der Teilnehmerinnen. Herrlich, ich mag gar nicht aufhören. Immer tiefer brennt sich die Glut in das Stück Holz, das Loch was sich bildet ist kreisrund und glüht von alleine weiter.

Als ich beschließe, dass es jetzt groß genug ist, will es gar nicht aufhören zu glühen. Ich kratze das abgebrannte Material mit eine m Stöckchen aus, aber es glüht und glüht. Schließlich lösche ich es mit feuchter Erde und arbeite dann im erkalteten Zustand weiter daran. Nachdem die Kule ausgearbeitet ist, wäre es natürlich schön, die Außenform noch herzurichten.
Es stellt sich heraus, dass alle Arbeitsschritte sehr meditativ sind und ihre Zeit in Anspruch nehmen. Vielleicht brauch es ein zweites Frauenwildniscamp, damit ich sie fertig stelle.

Es ist so heiß, dass ich in der Mittagspause, die Draußendusche etwas abseits des Camps ausprobiere. Das kalte Wasser ist super erfrischend und ich lasse mich von der Sonne trocknen.

Frauenwildniscamp – von Kräutern und Vögeln

Am Samstagnachmittag können wir uns für ein Thema entscheiden. Katja kennt sich super mit der Sprache der Vögel aus und unternimmt mit einem Teil der Frauen eine Vogelwanderung. Ich entscheide mich dafür, zwei Kräuter genauer zu studieren. Dabei nehme ich die Vogelmiere genauer unter die Lupe und zeichne sie übergroß und detailliert. Daniela berichtet von der umfänglichen Heilkraft und den wertvollen Inhaltsstoffen. Außerdem ist sie super lecker, ich esse mein Modell schnell auf.

Das zweite Kraut ist der Spitzwegerich. Mir schießen Erinnerungen in den Kopf: Mein Opa klopfte auf einem Brett den Saft aus dem Wegerich und legte ihn mir als Pflaster auf das aufgeschlagene Knie.

Magisch verschließen sich die Wunden dann ziemlich schnell.

Zusammen sammeln wir noch einige andere Kräuter für den Salat und Kräuterquark. Ich bin ganz erstaunt, dass vor meinen Füßen auf dem Waldboden wilder Thymian vor sich hin duftet. Scharfgarbe, Löwenzahn, Vogelmiere, Spitzwegerich ergeben eine tolle Komposition.

Frauenwildniscamp im Vollmond

In der Dämmerung steigt der Vollmond hinter dem Horizont auf. Er ist riesengroß und schimmert in einem warmen Mondlicht.

Daniela stimmt ein Lied an, um den Mond zu besingen. Jede von uns findet ihre Tonlage, ihre eigene Art es zu singen. Zusammen sind wir ein Gänsehaut-Klang. Ich spüre ganz deutlich, dass wir als Frauen doch auf eine besondere Art mit La Luna verbunden sind. Für viele von uns ist es ein magischer Moment während des Frauenwildniscamp.

Es ist kaum zu glauben, dass am Sonntag schon die vier Tage, die wir hier in der Natur in der Wildnisschule Hoher Fläming verbracht haben, verstrichen sind.

Verbindung, Achtsamkeit und Gemeinschaft im Frauenwildniscamp in großer Dankbarkeit

Ich erinnere mich an den Baum, den ich blind erspürt, gerochen, geschmeckt und gehört habe.
Selbst unter Dutzenden Bäumen habe ich ihn mit meinen Augen danach wieder erkannt. Er ist mir sehr vertraut geworden, weil ich ihn mit allen Sinnen gut kennenlernen durfte.
Das war ein sehr erhellender Moment, der mir gezeigt hat, dass ich viel mehr mit dieser Wachheit und Achtsamkeit durch die Natur streifen möchte.

Sätze wie: „ich habe das Gefühl, dass wir hier in der kleinen Dorfgemeinschaft schon wochenlang leben“ oder „jetzt bin ich hier richtig eingetaucht, es könnte noch ewig so weitergehen“ dringen an mein Ohr.
Auch ich bin noch längst nicht fertig… mit mir, dem Eintauchen und dieser magischen Verbindung zu Mutter Erde.

Ich bin zutiefst dankbar für die Erfahrung von Natur und Gemeinschaft, von weiblicher Kraft, Wärme und wachgerufenen Erinnerungen.
Wie trag ich dieses Gefühl von Verbundenheit nun in meinen Alltag, wie erhalte ich es lebendig?

Falls du einen guten Rat für mich hast, dann schreib ihn mir gerne in die Kommentare.

Das Frauenwildniscamp ist ein Angebot der Wildnisschule Hoher Fläming, die ebenfalls Kinder und Familiencamps wie auch verschiedene Weiterbildungen veranstaltet. Vor einiger Zeit haben wir schon am Kurs Wolfstracking teilgenommen. Und unsere Große hat schon zwei Mal das Ostercamp besuchen können

Geertje

Geertje schreibt und fotografiert auf Reisen gerne, um diese intensiven Momente des Lebens festzuhalten. Sie möchte diese wunderbare Welt auch ihren Kindern zeigen und reist deshalb am liebsten als Familie in den Norden. Schön ist es, wenn Bilder und Texte auch andere Familien zum Reisen inspirieren.

2 Kommentare:

  1. Mama von der Mama

    Liebe Tochter, Deine intensiven Worte haben mich sehr berührt. Liebe Grüße vom Feldrain!

  2. Das freut mich, wenn ich Menschen berühren und inspirieren kann. #love

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