Arbeiten am Icehotel #30 – behind the scene

Mein Wecker klingel auf der Baustelle des Icehotel #30 in Jukkasjärvi um 6.30 Uhr.

Es ist stockdunkel Anfang Dezember und ich stehe auf, weil ich einen Arbeitstag im Schnee vor mir habe. Ein paar Yogaübungen und ein gutes Frühstück für die körperliche Arbeit sind auch noch drin.

Icehotel #30

Bei einem Tee checke ich meine Emails und erledige die nötigen Korrospondenzen, denn über den Tag habe ich für Büroarbeit kaum Zeit.

Arbeiten am Icehotel

7:30 Die Anziehprozedur beginnt. Eigentlich deshalb nur etwas umständlich, weil ich einen Stützstrumpf trage, weil ich mir ja vor 4 Monaten den Fuß gebrochen habe. Der Strumpf zieht sich etwas sperrig an. Dann kommt eine lange Wollunterhose dazu und die Arbeitshose drüber.

An der Garderobe warten die High Visibility Winterjacke und der orange Helm, an dem noch das Headlight befestigt ist. Ach klar und Mütze nicht vergessen.

So spaziere ich über dunkle Pfade über das Icehotel Gelände in knalligen Farben mit schweren Boots zur „Blue Lagoon“ ich logge mich über ein ipad und einen speziellen Code ein. Die Blue Lagoon ist ein Doppelcontainer mit einem Fika Raum, Umkleiden, Toiletten und dem kleinen Office für das diesjährige Support Team. Eine kleine Rückzugsmöglichkeit im Baustellenalltag.

Zum Supportteam auf der Baustelle gehöre ich mit fünf anderen sehr erfahrenen SchneekünstlerInnen.

https://www.icehotel.com/

Während wir erst gegen acht anfangen zu arbeiten, ist das gesamte Konstruktionsteam schon seit sieben am werkeln, ca 40 andere Männer und Frauen in Arbeitsklamotten sind geschäftig auf der Baustelle mit dem vergänglichen Material zugange. Außerdem fahren große Gefährte auf der Baustelle mit gleißenden Scheinwerfern umher.

Die Anfrage hier zu arbeiten habe ich im Spätsommer bekommen als an Schnee und Eis in Deutschland noch gar nicht zu denken war. Jedoch war mir trotz Gipsfuß zu dem Zeitpunkt klar, dass ich unbedingt dabei sein will. Denn vor sieben Jahren habe ich hier schon einmal gearbeitet und eine Artsuite nach meinen Entwürfen mit meinem Kollegen Gaston Vacaflores gebaut. Danach habe ich hier in der Eiskirche Jan geheiratet und die Hochzeitsnacht haben wir in meiner Artsuite verbracht.

Ein Morgen am Icehotel #anotherdayintheoffice

Ich stapfe weiter über das Gelände zur Kantine für die Angestellten, hier treffen wir uns vom Supportteam um das morgendliche Treffen mit den Künstlern vorzubereiten.

Bei einem Kaffee wird kurz besprochen, welche Aktivitäten heute auf der Baustelle stattfinden, ob wohlmöglich gecastet wird. Das ist keine Auswahl für einen Film sondern ein gewaltiger Bauprozess für die Grundstruktur des Icehotels. Dabei sind gewaltige Radlader und Bagger am Werken und bestimmte bereiche auf der Baustelle sind dann nicht passierbar.

Um  8 Uhr trudeln die Künstler in der Kantine ein, verschlafen, denn viele von ihnen haben bis spät in die Nacht an ihren Kunstwerken aus Schnee und Eis gearbeitet.
Luca, der künstlerische Leiter und Oberhaupt des Supportteam informiert über die wichtigsten Sachen. Neue Nachfragen von Künstlerseite kommen auf. Jemand benötigt die extra lange Kettensäge mit einem Kettenblatt von 90 Zentimetern, ein anderes Team benötigt Hilfe beim Bewegen eines Eisblocks. Alles wird sorgfältig notiert und im Supportteam besprechen wir danach die Prioritäten bevor es richtig losgeht und jeder von uns mit einer Arbeitsaufgabe auf der Baustelle oder in der Eisproduktion verschwindet.

Ein Bett aus Eis bauen

Ich helfe heute Jae und Haemee. Das koreanische Pärchen hat noch nie zuvor mit Schnee und Eis gearbeitet. Ihr Entwurf „White Santorini“ gefällt mir gut. Jetzt während der zweiten Woche ist es Zeit das Bett aus Eis hier einzubauen.

Dafür hat Luca, der künstlerische Leiter eine Art Bauanleitung  ausgedruckt. Der Bettrahmen wird nämlich aus Standardblöcken zusammengestellt, so dass genau die erforderliche Anzahl von Lattenrosten hineinpasst.

Die größte Herausforderung ist dabei, dass das wichtigste Möbelstück in einem Hotelzimmer auch gerade steht und die Gäste nicht im Schlaf zu einer Seite rollen.

Eis sägen und Schnee raspeln am Icehotel #30

Mit Jae und Haemee begutachte ich die Standardblocke und wir messen aus, in welche Teile wir noch sägen müssen.
Haemee bereitet den Schneefußboden mit einer Raspel vor, der feste Schnee muss eben geraspelt werden. Jae zieht sich die Schnitzschutzhose über und bereitet alles zum Arbeiten mit der Kettensäge vor.

Dann rücke ich mit den beiden die Blöcke zu einem Bettrahmen zurecht. Große Fragezeichen in den Gesichtern, die Maße stimmen nicht so recht und gerade sieht es auch nicht aus. Die Wasserwage bestätigt das.  Nun ja, dann müssen wir mit der japanischen Säge noch etwas Schnee aus manchen Ecken hervorholen und die ganze Geschichte ausleveln.

Nach ein paar Stunden rumgefrickel stimmt alles und die Eisblöcke können miteinander und mit dem Untergrund verklebt werden. Der Kleber ist bei den Minustemperaturen Wasser, das mit einer kleinen Quetschflasche in die Ritzen der Eisblöcke gepresst wird.

Mittagspause am Icehotel #30

Puh, von dem Rumgerutsche auf der Erde und dem Schieben der Eisblöcke ist mir ganz schön warm geworden.
Jetzt ist aber auch allmählich Mittagszeit.
Trotzdem es hier gerade Polarnacht herrscht, ist es seit 10 Uhr schon etwas hell. Als ich aus dem Icehotel heraustrete und zum Fluss hinunterschaue, zeigt sich der Himmel in den schönsten Farben. Von Pinkviolett auf der einen bis rot Orange auf der anderen Seite. Ein heller Fleck über der Hügelkette am anderen Ufer kann eigentlich nicht die Sonne sein. Es ist eine seltene Lichterscheinung, eine Nebensonne oder auch Sundog genannt.

Ich gerate ins Träumen und schaue mir diesen fantastischen Himmel an bis neben mir der kleine Gabelstapler mit meinem Kollegen Vytautas hupt. Er hat gerade große Blöcke an andere Künstlerteams geliefert und erinnert mich daran, dass jetzt Lunchbreak ist.

Bei großer Kälte wird viel gegessen

Die Handschuhe lege ich noch schnell in den elektrischen Trockenschrank in der Blue Lagoon, dann sind sie vielleicht in einer Stunde trocken. Dann gehen wir wieder rüber in unsere Kantine. Supportteam und Künstler kann man hier gut unterscheiden. Die Künstler tragen blaue Helme wir haben orange.

Icehotel #30

Der kleine bunte Trupp findet sich in der Souterrain Kantine ein, wo es schon lecker nach Essen duftet. Im Vorraum stapeln sich Arbeitsjacken, Mützen, Handschuhe und Helme. Drinnen lächeln mir leuchtende Augen und rote Wangen entgegen.

Ich fülle mir einen großen Berg Kartoffelbrei mit Rentiergeschnetzeltem  und Lingonberry Sylt auf meinen Teller und lasse mich auf die gepolsterte Bank neben meine Kollegen fallen. Uff. Schön, mal im Warmen zu sitzen. 

Seit ein paar Tagen beobachte ich auch bei den umliegenden Tellern, dass die Berge immer größer werden. Anscheinend brauchen die Leute echt mehr Kalorien um bei den Minustemperaturen von bis zu minus 20 Grad noch genug Energie für die körperliche Arbeit zu haben.

Es wird gemütlich gequatscht oder auf Telefone geguckt. Am Schluss noch ein heißer Kaffee und ein Keks und die Arbeit kann nach einer Stunde weitergehen.
Vor der Arbeit am Icehotel habe ich mir das Kaffeetrinken einigermaßen abgewöhnt, weil es für die Gesundung des Fußgelenkes wohl besser war. Aber in Schweden wird so viel Kaffee getrunken, dass ich dem nicht entkommen konnte.

Icehotel #30

Ein Nachmittag bei der Arbeit am Icehotel

Jetzt heißt es wieder anprölen und raus in die Kälte. Das fällt nach so einer Pause schon etwas schwer. Vor dem Mittag wusste ich die Himmelsfarben zwischen Sonnenaufgang und -untergang nicht so recht einzuordnen. Jetzt ist es aber ganz eindeutig schon fast wieder „abends“.

Um 14 Uhr ist es wieder stockfinster.

Am Nachmittag besorge ich Werkezeuge aus der Werkstatt und wechsel die Kette für einige der Motorsägen. Sie müssen für Eis richtig scharf sein. Die Künstler, die große Eisblöcke damit bearbeiten, werden beliefert und sind dankbar für den Service.

Icehotel #30

Da sehe ich eine kleine gelbe Fahne am Eingang von der „Lion“ Suite.

Meine Freundin Tjåsa hat ein tolles neues Tool erfunden, was in jeder Teamkiste vorhanden ist. Eine kleine Fahne , die man draußen an den Suite Eingang stecken kann, wenn man Hilfe benötigt. So weiß das Support Team, wo es als nächstes hin muss. So ähnlich wie die Klingel am Krankenbett.

Annasofia fragt nach einem kleinen scharfen Eismeißel, den ich auch gleich aus der Werkstatt besorge.

Saubermachen am Icehotel #30

Dann ist saubermachen angesagt. Aufräumen muss man auch im Icehotel. Vytautas fährt mit dem kleinen Traktor in die 3 Meter breiten Flure und schiebt die Schneebrocken zusammen.
Nicht alles landet in seiner Schaufel und so helfen Ulrika und ich, den restlichen Schnee hinein zu schippen. Die Künstler arbeiten eine Unmenge an Schnee aus ihren Suiten heraus, so dass manchmal riesige Sniceblöcke (gefrorener Schnee) aus dem Arbeitsbereich nach draußen transportiert werden müssen. Einige kann man noch nicht einmal anheben, so schwer und sperrig sind sie.

Icehotel #30


Ich schwitze schon wieder, aber es ist eine wunderbare körperliche Betätigung. Von der hatte ich nach den ersten Tagen sogar ein bisschen Muskelkater. Jetzt ist es aber einfach nur angenehm, den Körper zu spüren.

Fika am Icehotel #30

Als der Flur gereinigt ist, zieht sich das Support Team zu einer kleinen Fika Pause in die Blue Lagoon zurück. Ich mag diese Kultur des Pausemachens in Schweden. Auch das kam bei uns in den ersten Tagen zu kurz, weil einfach so viel zu tun war. Roland bringt Pepparkaka mit an den Tisch und hat schon den Kaffee aufgesetzt, Luca der Chef muss noch schnell ein Telefonat erledigen, Ulrika und Tjasa kommen mit frostigen Wimpern in die Blue Lagoon, Vytautas steckt den Traktor noch schnell an die Ladestation und ich sortiere meine Handschuhpaare im Trockenschrank.

Dann sitzen wir endlich und sprechen kurz die nächsten Schritte ab und informieren uns gegenseitig über den Stand der Dinge in den 15 Artsuiten. Leider geht es einer Künstlerin nicht so gut, Überanstrengung. Auch darum müssen wir uns natürlich kümmern. Sie macht eine Pause und wir springen mit ein, damit auch deren Suite nach 2,5 Wochen fertig ist.

Eigentlich eine gute Zeit für so ein Projekt. Jedoch kann man sich auch schnell verschätzen, was Aufwand und Zeit angeht. In einigen Suiten ist einfach mal so viel zu tun, dass es ohne Nachtabreit gar nicht geht. Unendlich viel Schnee hinaus zu schippen oder hunderte von Eisblöcken zu bearbeiten und in eine Mauer einzubauen.

Icehotel #30

Bis zum Abendbrot arbeiten wir noch 2 Stündchen. Dann ist es 17 Uhr und für mich, die in der Frühschicht eingeteilt war, damit der Arbeitstag offiziell beendet. Morgen habe ich Spätschicht, diese beginnt erst um 10 Uhr, aber endet auch erst um 20 Uhr.

Ein Abend am Icehotel #30

Das warme Abendbrotessen findet wieder in der Kantine statt und ich merke deutlich den Arbeitstag in meinen Knochen. Die Wärme der gemütlichen Kantine zusammen mit dem gut gewürzten Essen und der Müdigkeit vom Tag fühle ich mich super gut erfüllt.

Icehotel #30

Die paar Meter zu unserer Cabin 28 schaffe ich auch noch. Die gemütlichen Hotelhütten sind nach der Eröffnung des Icehotels den Hotelgästen vorbehalten. Jetzt dürfen aber auch die Mitarbeiter hier wohnen. Mein Kollege liegt schon schlapp im Halbschlaf im Sessel unseres gemeinsamen Wohnraumes und hört Entspannungsmusik.

Ich schäle mich aus den Arbeitsklamotten und setze erst einmal einen Tee auf. Vytautas hat extra Kräuter aus seinem litauischen Garten mitgebracht, die duften hier schon immer vor sich hin und die Tees daraus nach einem langen Arbeitstag sind einfach göttlich.

Auch für Saunaaufgüsse eignen sie sich hervorragend, was wir am letzten Abend mit den Künstlern auch erfahren.

Mit meinem Tee schlurfe ich in die Nachbarhütte zu Ulrika und Tjasa. Die zwei quirligen Frauen lassen es nach dem Arbeitstag auch ruhig angehen und ich setze mich mit meinem Skizzenbuch zu ihnen. Wir zeichnen und quatschen.

Nordlichter nach einem langen Arbeitstag

Meine Aurora App auf dem Handy gibt mir plötzlich einen Alarm. In ein bis zwei Stunden sollten hier Nordlichter zu sehen sein. Wie schön, es sind nämlich auch keine Wolken am Himmel zu sehen.

Aurora Icehotel #30

Und genug Zeit für einen Saunagang im warmen Haupthaus bleibt auch noch.

Sauna am Icehotel

Wie praktisch nach so einem Tag einfach nur das Lieblingsshampoo zu greifen und rüber zu gehen in die Sauna, wo kuschlige Handtücher und eine wohlige Wärme auf einen warten.
Wenn ich Lust auf Ruhe habe, genieße ich es, daß es getrennte Saunen für Männer und Frauen gibt, wo auch zur Zeit noch nicht so viele Hotelgäste unterwegs sind. Heute ist mir nach Quatschen zumute und ich schlinge mir das Handtuch um und luge in die Herrensauna, wer von den Kollegen und Kolleginnen da schon drüben sitzt.

Nordlicht Icehotel #30

Eine kleine Gruppe ist schon lustig am plauschen, ein Bier geht rum, Füße werden massiert und ab und zu wird ein Schneeball zur Abkühlung gereicht.
Als wir aus der Sauna kommen und an den Himmel schauen, kommen wir aus dem Staunen nicht wieder heraus. Über uns geht gerade das ganz große Nordlicht Kino los.

Ulrika muß richtig juchzen vor Freude und wir laufen schnell runter zum Fluss, denn von dort kann man das Nordlicht so richtig gut sehen.
Ich hole schnell noch Kamera und Stativ, um ein paar der bewegten Lichter auf Speicherkarte zu bannen.

norrsken Icehotel #30

In solchen Situationen bin ich so fasziniert und kenne keine kalten Füße. Ich kann stundenlang das seltene Spektakel beobachten und genießen. Heute sind sie aber auch besonders hell und dynamisch. Ich meine sogar einige violette Spitzen in den Ausläufern der Lichter zu erkennen.

Zugegebenermaßen ist Dezember auch ein richtig guter Monat für Nordlichtbeobachtungen, da es so lange dunkel ist. Ich wünsche mir schon lange am Beginn der Saison mal hier zu sein, wenn der Fluss noch nicht ganz zugefroren ist. Dann spiegeln sich nämlich die Nordlichter noch in dem Wasser.

Ich gehe heute super glücklich in mein Bettchen und freue mich auf einen weiteren Arbeitstag am Icehotel in Jukkasjärvi.
Hier hüpft mein Herz und ich hoffe, dass die drei Wochen nicht allzu schnell verstreichen.

Eröffnung des Icehotel #30

Eröffnung Icehotel #30


Die Fertigstellung des temporären Bauwerkes zu erleben ist aber auch spektakulär und wunderschön. Wir sind am 13. Dezember alle stolz auf dass, was da in den letzten Wochen entstanden ist. Die Presse ist da und viele Gäste sehen an diesem Tag die entstanden Räume und ein Lucia Chor singt in der Eingangshalle, die direkt in die Eiskirche übergeht.

Gänsehaut, diesmal nicht von der Kälte, sondern vor Erstaunen und vom Berührtsein vom Icehotel #30.

Die Suiten des Icehotel #30

Geertje

Geertje schreibt und fotografiert auf Reisen gerne, um diese intensiven Momente des Lebens festzuhalten. Sie möchte diese wunderbare Welt auch ihren Kindern zeigen und reist deshalb am liebsten als Familie in den Norden. Schön ist es, wenn Bilder und Texte auch andere Familien zum Reisen inspirieren.

2 Kommentare:

  1. Hallo liebe Geertje,
    ich finde Deine Arbeit ungeheuer beeindruckend und bleibe immer hängen, wenn ich auf Instagram Deine Storys sehe. Wollte ich einfach als Kommentar mal da lassen.
    Herzliche Grüße,
    Christina

  2. Ganz lieben Dank Christina, Ich freue mich, wenn ich Menschen mit meiner Freude an Schnee und Eis inspirieren kann.

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