Ein Tag beim Arktistraining in der Hardangervidda mit Iceploration


Eine mehrtägige Skitour durch die Hardangervidda mit Arktisexperten und Newbies, was für ein Erlebnis.
Ich blinzle ein wenig, um mich herum ist ein oranges sonniges Licht, wenn
ich aus der engen Öffnung des Schlafsackes herausschaue. Rechts und links
neben mir schlummern zwei weitere Gestalten in ihre Schlafsäcke
eingemummelt. Nichts bewegt sich.

Hardangervidda

Ich erinnere mich an ein paar Stunden der letzten Nacht mit kalten Füßen,
ich konnte partout nicht einschlafen. Mein super Taschenofen mit einem
glühenden Kohlestäbchen hat nicht durchgehalten und ist einfach ausgegangen.
Die Daunenfüßlinge haben auch nicht gewärmt. Ich befürchte, sie sind zu eng.
An solchen Abenden kann man irgendwie nicht daran glauben, dass man
irgendwann noch einmal einschläft. Dann muss es wohl aber doch passiert
sein, denn jetzt ist mir kuschelig warm und ich fühle mich sogar etwas
erholt.

Neben mir raschelt es im Schlafsack, Wilfried streckt seine Nase heraus und gleich darauf Frank zu meiner anderen Seite. Zwei erfahrenen Schneehasen mit super Arktisschlafsäcken sind die Temperaturen bis zu minus 15 Grad in der vergangenen Nacht wahrscheinlich gar nicht aufgefallen.
Unser Wechselzelt bietet Platz für uns drei und etwas Gepäck.

Aber zum Anziehen und aus dem Schlafsack pellen stellen wir uns nacheinander an. Einer nach dem anderen schafft es sich für den schneetag draußen fertig zu machen. Zum Glück haben wir eine altersgerechte Sitzbank am Eingang des Zeltes hergestellt, so dass ich mir bequem die Schuhe anziehen könnte. Eine kleine Grube in der Apsis sorgt dafür, dass dort die Kälte hinein fällt und man sich die Schuhe zumachen kann.

Als ich jedoch in meine Lederschuhe mit Filzinnenschuh schlüpfen will, komme ich nicht sehr weit. Sie sind gefroren. Etwas Feuchtigkeit vom Schweiß des Vortages ist gefroren, so dass Leder und Filz steif geworden sind. Ich quäle mich etwas, um hinein zu kommen, schaff es dennoch.
Die guten Skischuhe hatte ich schon auf der letzten Skitour und habe sie damals in einem Blogpost vorgestellt.

Hardangervidda

Langsam wird es auch eilig, denn auch an diesem Morgen habe ich ein
dringendes Bedürfnis. Die Morgensonne ist gerade mal über den Horizont
gekrochen und das Camp wird von den ersten warmen Strahlen getroffen. Kaum
Zeit, dies zu bewundern, denn ich eile zu unserem eisigen Klo. Das hat Lutz,
der Heizungsinstallateur am Vorabend hier in der Schneewüste aus
Schneeblöcken errichtet. Es ist super komfortabel und eine aufgeschichtete
Schneemauer schützt vor eisigen Winden am Popo. Ich bin ihm unendlich
dankbar, wie ich so da hocke und in die Landschaft schaue.

Inmitten unseres kleinen Zeltdorfes aus orangen geodätischen Kuppelzelten steht ein kleines Tipi. Es ist unser Küchenzelt. Drinnen faucht es gefährlich. Aus dem vergangenen Jahr erinnere ich mich, dass das Geräusch etwas Gutes zu bedeuten hat.

Klo in der Hardangervidda

Als ich meine Geschäfte hinter der Schneemauer erledigt habe, stehe ich für
ein paar Minuten angewurzelt im Schnee und lasse mir die warmen
Frühlingssonnenstrahlen ins Gesicht scheinen.
Ein paar Bewegungen im fluffigen Pulverschnee und die Wärme durchströmt mich ganz und gar.
Ich habe mir angewöhnt, an besonderen Ort meine Kung Fu Form auszuprobieren, eine Bewegungsabfolge, die anspruchsvoll und anstrengend ist.
Nun bin ich wach und fühle mich hier in dieser Schneewüste angekommen und wohl.

Hardangervidda

Frühstück auf Skitour in der Hardangervidda

Außerdem habe ich einen richtigen Kaffeedurst. Ich schnappe mir meine
Metalltasse und krieche in das Küchenzelt, wo der Kocher vor sich hin
zischt. Wasserdampf verteilt sich wie in einer Dampfsauna und ich kann kaum erkennen, wer von den anderen auch schon aus dem Schlafsack gekrochen ist. Insgesamt sind wir 7 Männer und zwei Frauen.
Ich schütte mir etwas Kaffeepulver in die Tasse und sogleich nach dem
Aufgießen steigt mir der frische Kaffeeduft in die Nase. Herrlich. Marco,
einer der Studenten, die im Sommer mit Grönland überqueren wird, sitzt hier schon seit einer halben Stunden und schmilzt fleißig Schnee in zwei
Kochtöpfen. Schließlich wollen neun Kaffeetassen, 9 Müslischalen und neun Thermoskannen für den Tag gefüllt werden.

Camp in der Hardangervidda

Bei so einer Wintertour ist die Frage um das Wasser leicht zu beantworten,
Schnee gibt es hier überall, er muss nur geschmolzen werden.
Außerdem benötigen wir aber auch jede Menge Kalorien. Ich merke deutlich,
dass ich nach einem aktiven Tag im Schnee viel mehr zu futtern brauche als zu Hause nach einem Tag in meinem Atelier. Die Kälte und die körperliche Anstrengung fordern ihren Tribut.

Frühstück in der Hardangervidda

Ich schütte eine Ladung Müsli in meine Plastikschale, dazu kommt Peronin,
ein hochenergetisches Eiweißpulver mit Vanillegeschmack, dann heißes Wasser.
Zur Verfeinerung könnte man noch etwas Schokolade rein bröckeln.
Löffel für Löffel genieße ich meine Lieblingsmahlzeit des Tages. Frisches
Obst und Gemüse gibt es auf so einer Tour nicht. Für eine Woche kann ich das auch gut verkraften. Aber könnte ich das auch für sieben Wochen?

Die alten Schneehasen schauen beim Frühstück auf ihre Karte und GPS Geräte. Die Route des Tages steht schließlich fest. Wir wollen ca. 11 Kilometer hier in der größten Hochebene Europas zurücklegen. Für den Abend ist Schneefall angesagt. Das kann ich mir bei dem strahlend blauen Himmel schlecht vorstellen.

Hardangervidda

Campabbau in der Hardangervidda

Wir müssen unser Camp abbauen und alles in den Pulken verstauen. Isomatte zusammen rollen, Schlafsack in den wasserdichten Sack stopfen, Zelt abbauen und alle Unebenheiten auf dem Campgelände beseitigen, den Müll in große schwarze Säcke verstauen.

Ich nehme mir eine Ration Snacks aus meiner Pulka und stopfe eine Tafel
Schokolade und eine Tüte mit Nüssen in meine Jacke. So habe ich immer etwas leckeres und energiereiches unterwegs parat ohne groß im Schlitten zu suchen.

Hardangervidda Pulka


Der Start in den Tag auf der Skitour in der Hardangervidda

Dann schnalle ich meine Backcountry Skier an und zwänge mich wie ein
Zugpferd in das Pulkageschirr. Ich stütze mich auf meine Skistöcker und
versuche den Schlitten ein Stück vorwärts zu ziehen. Ein heftiger Ruck mit
der Hüfte und dem Oberkörper ist notwendig.

Pulka ziehen auf der Skitour in der Hardangervidda

Ich erinner mich an eine vorherige Tour, bei der ich den Schlitten zunächst um keinen Zentimeter bewegte, weil er einfach so ungewohnt schwer gepackt war. Wie muss das erst auf einer Grönlandtour sein, bei der die Pulken am Anfang 100 bis 120 Kilogramm wiegen? Das Futter und damit das Gewicht in den Schlitten wird allerdings während der Tour auch weniger. Ein kleiner Trost.

Hier in der Hardangervidda ist meine Pulka wahrscheinlich nur um die 40
Kilogramm schwer. Das ist auch gut so, denn ich begleite die Gruppe auch als
Fotografin und hin und wieder muss ich ins ungespurte Gelände und etwas
vorlaufen, um eine bestimmte Bildidee mit den Pulka ziehenden Athleten
umzusetzen.

Hardangervidda

Hintereinander bewegt sich nun der Tross in der fast eintönigen Landschaft der Hardangervidda. Eintönig, nur für diejenigen Banausen, die die Schönheit der Monotonie nicht zu schätzen wissen. Wilfried hat ein ganzes Buch darüber geschrieben. Er muss es wissen, denn er kann gar nicht aufhören, Grönland auf Skiern zu überqueren.

Die Landschaft in der Hardangervidda

Im Ernst, die Baumgrenze haben wir gestern hinter uns gelassen und wir bewegen uns um die tausend Meter über dem Meeresspiel. Einer der höchsten Gletscher in der Hardangervidda ist der  Hardangerjøkulen und er ist 1876 Meter hoch. Solche Erhebungen sehen wir in der Ferne während wir im Gänsemarsch mit unseren Schlitten hintereinander her laufen.

Hardangervidda Skitour
Foto: Lutz Schütze

Das heißt ich schiebe die Skier nacheinander nach vorne. Ich habe Glück und kann etwas gleiten, weil die Spur vor mir schon etwas ausgefahren ist. Vorne wird sich abgewechselt, denn die Spur in den tiefen Schnee zu ziehen kostet Kraft. Ich sehe Schweißperlen auf der Stirn von Fabian, der sich erst einmal an die Fortbewegung auf Skiern gewöhnt. Er ist im Sommer ebenso auf der Grönlandtraverse dabei. So schaue ich in der Pause auch in andere Gesichter, sie sehen glücklich aus, geschafft, in sich gekehrt.

Hardangervidda Skitour

Diese Landschaft verändert uns alle ein bisschen. Während wir in gleichmäßigem Tempo das Weiß durchflügen, kommen Gedanken auf, neue Ideen für Schneeskulpturen durchstreifen mein Hirn, genauso wie To-do Listen für die Zeit, wenn ich wieder vor dem heimischen Computer sitze. Dann wieder fängt sich mein Blick an den Sonnenstrahlen, die mittlerweile durch ein paar dunkle Wolken am Horizont durchscheinen. Das Wetter verändert sich wie ein gigantischer Film auf einer 360 Grad Leinwand. Ich ziehe mir mein Halstuch etwas mehr ins Gesicht und setze meine Kapuze auf.

Hardangervidda

Kurzer Ausrüstungsexkurs

Ich bin froh, dass Hose und Jacke einigermaßen windfest und doch atmungsaktiv sind bei diesen niedrigen Temperaturen. Schon zu Beginn des Winters habe ich mir deshalb einen Polarparka zugelegt, der hauptsächlich aus dichtgewebter Baumwolle besteht. Darunter trage ich verschiedene Schichten aus Merinowolle. An den kalten Tagen ist es ein Aclima Longsleeve eine Weste und eine Double Wool Strickjacke des norwegischen Herstellers. Wenn mir zu warm wird, kann ich unterschiedlich kombinieren. An den wärmeren Tagen lauf ich nur mit Longsleeve.

Aclima Ausrüstung mit Merinowolle

Jetzt, da der Wind stärker wird ziehe ich Kapuze und den unteren Rand meiner Jacke dicht und rücke noch meine Skibrille zurecht. Schneeflocken wirbeln vor uns herum und die Wolken haben sich verdichtet.

Fabian, zukünftiger Grönlandüberquerer testet auf dieser Tour schon einmal die Ausrüstung der französischen Marke Picture Organic Clothing. Hardshell und isolierende Schichten scheinen prima zu funktionieren. Er beschreibt es in einem Blogpost bei Iceploration.

Ausrüstung: Picture Organic Clothing

Pause auf unserer Skitour

Die nächste Pause verbringen wir hinter einer Hütte und suchen Windschutz. Das gelingt nur teilweise und nach einer Lagebesprechung und zwei Schokoriegeln geht es auch schon weiter. Wir wollen möglichst bald einen Lagerplatz erreichen. Den suchen wir uns in der Nähe einer Hütte, der ….

Das Jedermannsrecht in Norwegen sagt, dass jeder die freie Natur nutzen und erwandern kann, auch Zelten ist erlaubt, solange man 150 Meter vom nächsten Wohnhaus entfernt ist.

Campaufbau in der Hardangervidda

Lageraufbau bei Sturm in der Hardangervidda

So suchen wir uns einen kleinen Windschutzhügel und beginnen im dichtesten Schneegestöber, die Zelte für die Nacht zu errichten. Es bilden sich regelrecht Bauteams, die einen buddeln möglichst tief in den vorhandenen Schnee, die anderen bauen eine möglichst hohe exakte Mauer, das dritte Team will einfach nur schnell sein und auch noch das Küchenzelt schnell errichten. Alle wühlen wie die kaputten im Schnee, durch den Wind rufe ich Wilfried zu: Wie sollen wir das zu Hause erklären, dass das hier Spaß macht?

Abendliches Kochen im Küchenzelt mit Märchenstunden

Endlich ist es geschafft und alle sitzen dicht gedrängt im Kreis im Küchenzelt, der Kocher rauscht, die Trockenfuttertüten finden ihre hungrigen Kunden. Ob Borscht, Pasta oder Rindfleischtopf, wir verschlingen das dampfende Essen bevor noch die „Garzeit“ zu Ende ist. Auf der Packung steht, dass man das kochende Wasser über das Essen gießt, die Packung nochmal verschließt und mindestens zehn Minuten wartet. Das ist für mich zumindest viel zu lang.

Frühstück in der Hardangervidda

Als Nachtisch gibt es noch Trekking – Mousse au Chocolat mit ein bisschen Rum. Das Leben ist Gut.
Jetzt ist die Zeit, in der noch ein paar Abenteuergeschichten heraus gekramt werden. Thomas liest aus seinem Grönland Tagebuch. Irgendwie fällt es mir leicht, mich in Gedanken dorthin zu versetzen.
Meine Wangen glühen, ich bin satt und ich gehe nochmal ein paar Schritte vor das Küchenzelt.

Millionen Sterne Hotel in der Hardangervidda

Dort stehe ich mit offenem Mund und starre in den Nachthimmel. Die Wolken haben sich fast verzogen. Zwischen den schnell dahinziehenden Fetzen blitzen Millionen von Sternen hervor. Keine Lichtverschmutzung nur schwarzer Himmel und das Sternenzelt. Unglaublich schön.

Ich stapfe noch ein paar Meter durch den Schnee auf den nächsten Hügel, von hier oben sehe ich das Camp, in einigen Zelten brennt Licht und eine Bergkette in einiger Entfernung ist in das Licht einer Stadt getaucht. Wahrscheinlich ist es Geilo.

Zelten in der Hardangervidda

Gute Nacht im Zelt in der Hardangervidda

Dann versuche ich meinen kleinen Taschenofen in Gang zu kriegen, der mich in der Nacht etwas wärmen soll. Ich habe ein paar Kohlestäbchen, die man zum Glühen bringen kann und dann in einer Metalldose sicher aufbewahrt. Irgendwie gelingt es mir aber nur selten, sie am Glühen zu halten.

Ich gehe mit der Hoffnung in meinen Schlafsack, dass es schon nicht ganz so kalt werden wird.
Dennoch muss ich noch eine ganze Weile meine Füße aneinander reiben und mir ein knisterndes Kaminfeuer vorstellen bis ich endlich einschlafe. Es hilft übrigens ungemein, wenn man in einem Drei-Personen Zelt in der Mitte liegt. Check. Auf beiden Seiten scheint man schon zu schlummern, aber auch bald singt mich der Wind in den Schlaf.

Geertje

Geertje schreibt und fotografiert auf Reisen gerne, um diese intensiven Momente des Lebens festzuhalten. Sie möchte diese wunderbare Welt auch ihren Kindern zeigen und reist deshalb am liebsten als Familie in den Norden. Schön ist es, wenn Bilder und Texte auch andere Familien zum Reisen inspirieren.

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